Tonsprachen in der Kommunikation

Aspekte zur Formulierung von Musik

Traditionen und Möglichkeiten

Die in jedem Kulturkreis im Laufe einer individuellen Sozialisation erfahrene und verinnerlichte eigene Musiktradition stellt für die musikalische Kommunikation eine vielfach breitgefächerte Tonsprache zur Verfügung, die als solche in einem speziellen regionalen kulturellen Umfeld gewachsen ist, eine Musikkultur prägt und von den meisten Hörern innerhalb des gleichen Kulturraumes – weil daran gewöhnt – verstanden wird.

Darüber hinaus gibt es noch vielfältige andere Ausprägungen von akustischer künstlerischer Expression: Tonsprachen, die außerhalb der eigenen Tradition stehen. Sie haben ihrerseits eine eigene historisch entwickelte musikalische Syntax und sind als musikalische Fremdsprache – weil nicht daran gewöhnt – im Vergleich zur eigenen Musiktradition oftmals schwieriger zu verstehen und stoßen in der Kommunikation eher auf Widerstand hinsichtlich des Verständnisses.

Der schöpferische Musiker und Komponist steht also im Bewußtsein dieser Vielfalt an Tonsprachen in einem Feld aus subjektiver Tradition und objektiv vorhandenen Möglichkeiten künstlerischen Ausdrucks.

Sollten die im Laufe der individuellen musikalischen Sozialisation erworbenen Mittel der eigenen kulturellen Tradition von dem Musikschaffenden als zu eingeschränkt oder zu unscharf empfunden werden, um klar und überzeugend das darzustellen, was künstlerisch zum Ausdruck kommen soll, so können ihm Tonsprachen außerhalb der eigenen Tradition die Palette der Mittel für künstlerisches Formulieren sinnvoll und nützlich erweitern.

Das Abenteuer neuer Musik beginnt jenseits der Traditionen. So wie einem Maler auf seiner Farbpalette alle dem menschlichen Auge wahrnehmbare Farben zur freien Benutzung und Kombination zur Verfügung stehen, unabhängig davon, welche Bilder wie schon mal gemalt worden sind, so stehen dem schöpferischen Musiker alle dem Menschen wahrnehmbare Töne zur freien Gestaltung von Musik zur Verfügung.

Aspekte der Kommunikation

Ein Komponist bzw. ein improvisierender Instant Composer kann den Fortschritt seiner künstlerischen Entwicklung am Grad der Klarheit und Deutlichkeit dessen, was er kommunizieren möchte, messen und sich in seiner Arbeit der Läuterung von Inhalt widmen.

Für eine künstlerische Kommunikation, die auf Verständlichkeit bedacht ist, sind Überlegungen, wie der Inhalt in der Darstellung optimal vermittelt werden kann sinnvoll, konsequent und förderlich. Hier setzt gegebenenfalls auch die Arbeit an, die Balance zu finden zwischen möglichst deutlicher Darstellung von Inhalt und dem Bemühen um dessen Verständlichkeit. Bekannte Tonsprachen können hierbei ein hilfreiches Transportmittel sein, schöpferische Erweiterungen dagegen oftmals unumgänglich.

Die 6 Wahrnehmungen

Was Musik zur universellen Sprache macht, sind die 6 Wahrnehmungen ihres Wesens, die kulturübergreifend und unabhängig von einem eventuell traditionsbedingten musikalischen Dialekt von jedem Zuhörer erkannt werden:

  • Rhythmus
    oder in seiner elementaren Form:
    Fluss
  • Melodie
    oder in ihrer elementaren Form:
    Die Formulierung eines musikalischen „Satzes“ in der Gestaltung von Anfang, Verlauf und Ende einer Linie
  • Harmonie
    • als Grundklang
    • als Klangverlauf (Funktionsharmonik, Modale Progressionen etc. …)

    oder in ihrer elementaren Form:
    Akustischer Raum

    • als statische hörbare Umgebung (Soundscape etc…)
    • als eine Abfolge unterschiedlicher hörbarer Umgebungen
  • Form
    • Anfang
    • Verlauf
    • Ende
    • Symmetrien
    • Proportionen
    • Gebilde
  • Konzentration und Energie
  • Virtuosität

Vom Hören und Sagen

Musik als künstlerisches Ausdrucksmittel dient:

  • der Darstellung eines Inhaltes
    • die Darstellung eines Inhaltes dient der Kommunikation
      • die Kommunikation dient der Möglichkeit der menschlichen Begegnung

In der musikalischen Kommunikation wird erkennbar:

  • ob etwas gesagt wird
  • wie etwas gesagt wird
  • was gesagt wird
    und unter Umständen
  • warum etwas gesagt wird


Theorie & Praxis / Tonsprachen in der Kommunikation © Norbert Stein Pata Music