Entscheidungen in der Improvisation

Möglichkeiten im Verlauf einer Gruppenimprovisation
 

Wenn in einer Musikkonzeption der musikalischer Verlauf nicht von kompositorischen Handlungsanweisungen vorgezeichnet oder von ästhetischen Regeln bestimmt wird, eröffnen sich für mitwirkende Musiker in diesen offenen Spielsituationen Möglichkeiten der individuellen improvisatorischen Entscheidungen. Im Folgenden werden einige dieser Entscheidungsmöglichkeiten dargestellt. Durch sie findet prägendes und gestaltschaffendes Handeln statt: „Instant Composing“.

Erste wesentliche Entscheidung

  • Spielen
    oder
  • Nicht spielen

Zweite wesentliche Entscheidung

  • Das Bestehende unterstützen
    oder
  • Impulse zur Änderung des Bestehenden einbringen

Vom Unterstützen des Bestehenden

Rhythmische Unterstützung des Bestehenden:

  • Mitspielen einer existierenden rhythmischen Figur und dadurch das Gewicht dieser Figur verstärken und die Klangfarbe bereichern
  • Hinzufügung eines komplementären Rhythmus und dadurch die Komplexität des bereits vorhandenen Rhythmus vergrößern

Harmonische Unterstützung des Bestehenden:

  • Die harmonische Situation erweitern durch Hinzufügen eigener Töne, Klänge oder Bewegungen, die sich in den Charakter des Bestehenden einfügen:
    • von anderen Musikern gespielte Melodielinien als Linie mitspielen und dabei durch die Wahl anderer Töne oder ergänzender Stimmen die ursprüngliche Bewegung harmonisieren
    • Akkorde mit bisher nicht im Klang vorhandenen Tönen anreichern und erweitern
    • etc.

Geistige Unterstützung des Bestehenden:

  • Sich-Einfügen in den Fluss eines musikalischen Geschehens.
    Schöpferisch und kreativ in dem, was bereits stattfindet, mitwirken ohne die Absicht, das Bestehende wesentlich zu ändern.

Vom Impuls zur Änderung des Bestehenden

Einen neuen Impuls einbringen:

  • zur zusätzlichen Eröffnung einer neuen Ebene als Bereicherung des musikalischen Geschehens
  • zur optionalen Richtungs- oder Charakteränderung des Gesamtgeschehens
 

Magische Momente

Offen sein für „magische Momente“ überraschender, impulsiver kollektiver Richtungsänderung (Schwarmverhalten)

Von der szenischen Hierarchie

Entscheidung für die eigene szenische Position im musikalischen Geschehen:

  • Mitwirken als Basis, Umgebung oder Hintergrund
    • zur Unterstützung für einen anderen Spieler in solistischer Position
    • als Teil eines kollektiven Geschehens ohne irgendeine solistische Position
  • Einnehmen einer solistische Position
    • Gestaltung von Anfang, Verlauf und Ende eines solistischen Statements

Dritte wesentliche Entscheidung

  • Weiterspielen wie bisher
    oder
  • Weiterspielen, dabei jedoch die eigene Spielart ändern
    oder
  • Aufhören mit Spielen. Tacet.


Theorie & Praxis / Entscheidungen in der Improvisation © Norbert Stein Pata Musik