pata musik oder das Konzept der inszenierten Räume

Hoehlenzeichnung von liegender Figur

Wenn Sie wissen möchten, was hinter dem Begriff „pata“ steckt, werden Sie feststellen müssen, daß Ihnen Ihr Lexikon diesbezüglich jedwede Auskunft hartnäckig verweigert. Um also die Herkunft dieses Wörtchens aufzuhellen, bedarf es eines kleinen literarischen Abstechers in die faszinierende Welt des Doktor Faustroll. Denn dieser war es, der im Jahre 1898 unter der Federführung des Franzosen Alfred Jarry, den Begriff der “ Pataphysik “ aus der Taufe hob. Im Nachwort der deutschen Ausgabe (Alfred Jarry – Heldentaten und Ansichten des Doktor Faustroll, Pataphysiker; Verlag Zweitausendeins) liefert der Übersetzer Klaus Völker die folgende Definition: „Die Pataphysik ist eine Wissenschaft, die irrealer Logik und einer neuen Wirklichkeit jenseits der Grenzen der äußeren Erscheinungswelt verpflichtet ist, losgelöst vom gewöhnlichen Kausalitätsdenken. Alles ist verwechselbar, verwandelbar, umkehrbar und austauschbar: Dinge, Zeiten und Räume. Aber nichts ist beliebig, nur ist eben jede Einfachheit eine ineinander verwobene und sich durchdringende Vielfalt. „Nun, in Anlehnung an diese Wortschöpfung Jarrys hat der bei Köln ansässige Saxophonist Norbert Stein vor einigen Jahren den Namen „pata musik“ abgeleitet … um mit dem Sammelbegriff „pata“ eine Konstante zu etablieren, die dem Hörer als Identifikationsbasis für die unterschiedlichsten Projekte des Komponisten und Musikers Norbert Stein dienen soll … So unterschiedlich wie die Besetzungen der einzelnen Pata-Gruppierungen sind, so variantenreich geraten denn auch die jeweiligen Programme. Um seine vielfältigen musikalischen Ideen in hörenswerte Taten umzusetzen, sucht sich Norbert Stein seine durchweg hochkarätigen Mitmusiker aus der bunten und kreativen Kölner Szene heraus … alles nicht gerade musikalische Leichtgewichte, die, im … vorgegebenen Rahmen des „pata musik“ -Konzeptes, ihre Eigenständigkeit dennoch bewahren dürfen. Mit egozentrischer Selbstdarstellung hat Norbert Stein nichts am Hut, er richtet vielmehr sein Augenmerk auf die Komponente des Komponierens. In diesem Zusammenhang spricht er auch gerne von sogenannten „inszenierten Räumen“, die er in seinen Kompositionen schafft, d.h. er gibt einzelnen Instrumentalisten Stimmungen vor, innerhalb derer sie sich dann solistisch frei bewegen dürfen. Wirklich bis ins Detail durcharrangiert sind die wenigsten Passagen seiner Stücke, so daß viel Spielraum für Spontanität und wahre Interaktivität bleibt. Nicht zuletzt dadurch entstehen in der „pata musik“ erfrischend prickelnde, spannende und reizvolle Momente. Die Musik befindet sich in einem ständigen Fluß, das Engagement des Einzelnen wird nachvollziehbar und das Ohr des Hörers durch die Kontraste, die sich ergeben, geradezu sensibilisiert….Die „pata musik“ steckt voller Überraschungen und Wendungen, gibt sich offen für allerlei Einflüsse, reißt die Grenzen zwischen scheinbar widerstrebenden Idiomen ein – und braut daraus, ausgehend von der Basis der Jazzimprovisation, etwas Neues, Erregendes. …

Jörg Eipasch, Jazzpodium